Ich lass Dich nicht los (Madeleine Reiss)

Kinder sollten nicht vor den Eltern sterben

„Ich hab Dich lieb, jeden und jeden Tag“ ist der letzte Satz, den der 5jährige Charlie an seine Mutter Carrie gerichtet hat, bevor er am Strand seinem Vater entgegengelaufen ist. Er wollte mit ihm gemeinsam noch einmal zum Wasser gehen. Kurze Zeit später kommt Damian zu Carrie zurück – ohne seinen Sohn. Er war zur Toilette und habe noch eine kleine Joggingrunde gedreht, Charlie sei ihm unterwegs jedoch nicht begegnet. Die anschließende stunden- nein tagelange Suche nach Charlie bleibt erfolglos; der Junge ist und bleibt verschwunden. Wäre Carrie doch nur nicht eingeschlafen ….

„Ich lass Dich nicht los“ ist der Debütroman der englischen Schriftstellerin Madeleine Reiss. Mit dieser Geschichte gewann sie den Buchwettbewerb der bekannten englischen Talk-Show „The Alan Titchman Show“. Der Originaltitel lautet „Someone to Watch Over Me“. Übersetzt wurde das Buch von Karin Diemerling.

Die Geschichte beginnt 3 Jahre nach dem Verschwinden von Charlie. Neben der Trauer um ihren verschwundenen Sohn und ihre immerwährenden Selbstvorwürfe, ist ihre Ehe mit Damian an der Sache zerbrochen. Am Abend vor der Eröffnung ihres eigenen Ladens, der „Schatzkiste“, den sie in Zukunft gemeinsam mit ihrer Freundin Jen führen wird, erfährt der Leser in einem Rückblick durch Carries Gedanken, was an diesem unsagbaren Tag vor 3 Jahren am Strand passiert ist.

Der zweite Erzählstrang handelt von Molly, ihrem Ehemann Rupert und ihrem gemeinsamen Sohn Max. Obwohl die beiden Familien auf den 1. Blick nichts gemeinsam haben, sind ihre Schicksale doch irgendwie miteinander verknüpft. Ich weiß auch nicht, ob ich das Schicksal von Molly und Max schlimmer finde oder das von Charrie und Charlie.

Dieses Buch liegt schon eine ganze Weile auf meinem SuB (Stapel ungelesener Bücher) und tatsächlich frage ich mich, warum ich das Buch dort so lange habe liegen lassen. Einmal angefangen, konnte ich nicht mehr aufhören zu lesen.

Es ist schlimm zu lesen, wie Carries Leben sich nach Charlies Verschwinden verändert hat. Ihre Ehe ist in die Brüche gegangen und sie vermisst ihren Sohn jeden einzelnen Tag. Auch wenn sie ausreichend zu tun hat in ihrem neuen Laden, wird die Lücke, die Charlies Verschwinden aufgerissen hat, sich niemals wieder schließen. Carrie ist zerfressen von Vorwürfen, sie hätte das Unglück verhindern können (hätte sie auch, aber das ändert nichts mehr an der Situation).

Genau so schlimm finde ich aber auch den Erzählstrang von Molly, die auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann Rupert ist. Verhaltensweisen von Rupert, die Molly am Anfang ihrer Ehe als Aufmerksamkeit und Fürsorge interpretiert hat, wandelten sich im Laufe der Zeit in Kontrollsucht, die vor Körperverletzung und Freiheitsberaubung nicht halt macht.

Obwohl die beiden Frauen überhaupt nichts miteinander zu tun haben, sich noch nicht einmal kennen, gibt es einen Tag in ihrem Leben, an dem sich ihre Schicksale überschneiden.

Wie schon erwähnt, konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen, als ich einmal in die Geschichte eingetaucht war. Ob der Schreibstil der Autorin im Original auch so gut ist, vermag ich nicht zu beurteilen, die Übersetzerin hat jedoch ihren Job sehr gut gemacht. Das Buch lässt sich flüssig lesen.

Die Kapitel werden abwechselnd aus der Sicht von Carrie und Molly geschrieben, zum Schluss kommt auch noch Max als Erzähler hinzu. Die Charaktere sind realistisch und mit Tiefgang angelegt und ihren Weg mit zu verfolgen, berührt mich emotional sehr. Das ein oder andere Mal fließen auch Tränen.

Die beiden Handlungsstränge laufen erst kurz vor Ende des Buches zusammen und die Geschichte wird dann auch noch richtig spannend. Der Schluss ist vielleicht ein wenig zu dramatisch, dann aber eigentlich genau passend für diese eine Person.

Bücher, die mich so in ihrer Geschichte gefangen halten, auch nachdem ich die letzte Seite schon lange zugeklappt habe, sind sehr selten geworden. Sicherlich werde ich „Ich lass Dich nicht los“ noch einmal lesen, zu einem späteren Zeitpunkt.

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3 Antworten zu Ich lass Dich nicht los (Madeleine Reiss)

  1. Spinnradl-Sabine schreibt:

    Hallöchen 🙂
    ich bin über einen anderen Blog hier gelandet.
    Also wenn ich dieses Thema als Buch vor mir liegen hätte – ich würde vermutlich zögern, bevor ich zu lesen beginne.
    Für Eltern der wahre Alptraum – das Kind geht voraus.
    Vielleicht sollte ich bei diesem eine Ausnahme machen.
    Danke für den Tip
    … und ich werde mich hier noch etwas umschauen
    Liebe Grüße
    Sabine

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    • Babsi schreibt:

      Hallo Sabine,
      danke für Deinen Besuch!

      Ja, das ist ein schweres Thema. Kinder sollten nicht vor ihren Eltern sterben – aber ich glaube ein Kind zu verlieren und nicht zu wissen, ob es lebt oder tot ist, ist noch eine Stufe mehr. Zumal, wenn man nicht ganz unschuldig ist an der Situation.

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  2. Spinnradl-Sabine schreibt:

    Da hast du Recht – das wäre das Allerschlimmste.

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